Ein Mann weckt seine Freundin; er ist erregt; er will Sex mit ihr. Sie lehnt ab; daraufhin passiert: nichts. Beide schlafen, so ist anzunehmen, wieder ein.
Diese Begebenheit bot, vor einigen Jahren, in der ‘Interim’ Anlaß für eine der vielen „Vergewaltigungsdiskussionen„. Wir wissen nicht, was zwischen der Frau und ihrem Typen ansonsten vorgefallen war und warum es ihr geboten schien, diese Szene an die Öffentlichkeit zu bringen. Darum geht es uns nicht. Denn die ‘Interim’-LeserInnen wußten ebensowenig über etwaige spezifische Hintergründe bescheid; und trafen doch einhellig ihr Urteil: Sexuelle Avancen einer Frau gegenüber, die, gerade aufgewacht, noch nicht alle ihre sieben Sinne beisammen haben mag, erfüllen in jedem Falle den Tatbestand der sexistischen Grenzverletzung. Nur über die Klassifikation – Übergriff oder Vergewaltigung – wurde im folgenden noch gestritten; und natürlich gemeinsam Abscheu bekundet. Keine Stimme jedoch, die fragt, wie es wohl einem Opfer erzwungenen Verkehrs ergehen mag, das verfolgen muß, wie eine Szene konsensual das erlittene eigene Erleben begrifflich mit einer mißglückten sexuellen Kommunikation in einer Paarbeziehung gleichsetzt. Keine Stimme auch, die auf die fatale Parallele des Frauenbildes, dem hier das Wort geredet wurde, mit dem patriarchalen Weiblichkeitsideal verweist: dem Ideal der Frau, die stets erst nach reiflicher Überlegung sich dem Manne, der Geduld zu beweisen vermag, sich hingebe; die nicht wie die Schlampe spontan, gar selbstbewußt ihren Impulsen folge. (Um nicht mißverstanden zu werden: Der hier verwandte viktorianische Jargon überzeichnet. Aber merkwürdig ist es schon, wenn an diesem Fall demonstriert werden soll, warum erotische Anträge an eine Person, die sich im Zustande teilweiser Unzurechnungsfähigkeit befindet, dieser keine Entscheidungsfreiheit lasse und daher in Wirklichkeit Zwang sind – wenn die Frau doch offensichtlich zum „Nein„ in der Lage war. Dieser Logik zufolge wäre ein solches „Nein„ kein echtes, weil bloß instinktiv gewählt. Und das ist wahrlich nicht weit weg von der sittlich unwürdigen Entscheidung.) Den Rest des Beitrags lesen »